Eiskalte Maßnahmen: Kältetherapie als ergänzende Behandlungsmethode bei rheumatoider Arthritis

Uraltes Wissen, modern angewendet

Bereits seit der Antike setzt der Mensch Kälte als therapeutisches Mittel bei ärztlichen Behandlungen ein. Gelehrte wurden darauf aufmerksam, dass niedrige Temperaturen eine schmerzlindernde Wirkung haben und entwickelten ein umfangreiches Wissen über deren Anwendungsmöglichkeiten, das bis heute gültig geblieben ist. Was sich verändert hat, ist (glücklicherweise) die Praxis, also der Umgang mit kältetherapeutischen Maßnahmen: Das Betäuben starker Schmerzen, das zum Beispiel beim Durchführen von Operationen vorgenommen werden muss und in der Antike durch den Einsatz von Kälte bewerkstelligt wurde, erzielt man heute mithilfe von wesentlich sichereren Methoden wie zum Beispiel durch die Verabreichung moderner Narkotika. Auch bei Schmerzen, die durch Verletzungen und Krankheiten ausgelöst werden, erhalten Patienten heutzutage schnellere und effektivere Hilfe durch Medikamente. Bei weniger drastischen Fällen (z.B. bei Prellungen oder kleinen Verbrennungen) ist der Einsatz von Kälte jedoch bis heute die erste medizinische Maßnahme. Das „Hausmittel Nummer Eins“ kommt jedoch auch im klinischen Kontext zum Einsatz: Die medikamentöse Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen ergänzen viele Ärzte heute mit der sogenannten „physikalischen Therapie“ durch Kälte. Sie wird bei einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder angeordnet und erfreut sich seit einigen Jahren auch bei gesunden Personen zunehmender Beliebtheit (z.B. bei Hochleistungssportlern). Im Laufe der zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit hat sich in dieser Hinsicht also viel, jedoch nicht alles verändert: Was in der Antike als primäres analgetisches Mittel verwendet wurde, nimmt in unserem modernen Wissenskomplex eine weniger tragende, aber dafür intelligent integrierte Rolle ein und kann sowohl bei kleinen Wehwehchen als auch bei chronischen Krankheiten Abhilfe schaffen.

Welche Rolle spielt Kältetherapie bei der Behandlung rheumatoider Arthritis?

Im Folgenden soll es speziell um die kältetherapeutische Behandlung von rheumatoider Arthritis gehen, ‒ ein Krankheitsbild unter vielen im rheumatischen Spektrum. Diese für die Betroffenen äußerst schmerzhafte, chronische Autoimmunerkrankung betrifft genau genommen den gesamten Organismus, verursacht aber vor allem Symptome in den Gelenken. Was als schmerzend und bewegungseinschränkend wahrgenommen wird, ist eine Entzündung der Innenhaut der Gelenkkapsel, ausgelöst durch das eigene Immunsystem des Körpers, was zu einer fortschreitenden Beschädigung von Knorpel- und Knochenstrukturen führt. Die erkrankten Personen leiden unter schubweise auftretenden Schmerzen, deren zunehmender Intensität bei Bewegung, Kraftlosigkeit, geschwollenen Gelenken und Morgensteifigkeit, aber auch unter Erschöpfungszuständen, Fieber und Appetitlosigkeit. Neben der Einnahme verschiedener Medikamente, Bewegungstherapie und chirurgischen Eingriffen hat die Anwendung von Kälte heute einen festen Platz in der Liste medizinisch verordneter Maßnahmen gegen rheumatoide Arthritis. Eine solche Behandlung ist jedoch keinesfalls als Heilmittel zu verstehen; die autoaggressiven Mechanismen des Immunsystems sind trotz aller Forschungsfortschritte bis heute ein ungelöstes medizinisches Problem und können lediglich vermindert werden. Eine Ergänzung der klassischen Behandlungsformen von rheumatoider Arthritis durch Kältetherapie kann zu einer solchen Verzögerung des Krankheitsverlaufs und zu einer Linderung der Symptome beitragen und sogar den Medikamentenbedarf der Patient*innen verringern.¹ Ihr größter Vorteil besteht darin, dass es sich um eine rein physikalische Form der Therapie handelt, bei der man sich die natürlichen Reaktionen des Körpers auf äußere Reize zu Nutze macht. Gelingt es, invasive Maßnahmen wie Operationen dadurch zu reduzieren, ist in Hinblick auf die Risiken, die mit einer Narkose und postoperativen Beschwerden einhergehen, schon viel gewonnen. Dennoch soll hier nicht die Formel „Eine nichtinvasive Behandlung ist die beste Behandlung“ aufgestellt werden. In manchen Fällen ist ein chirurgischer Eingriff schlicht und einfach unumgänglich für die Verbesserung des Zustands der Patient*innen und nicht durch den Rückgriff auf nichtinvasive Maßnahmen zu ersetzen. Da die Behandlung von rheumatoider Arthritis ein komplexes Verfahren ist, bei dem es vor allem auf die Berücksichtigung individueller Faktoren ankommt, ist es am allerwichtigsten, die richtige Kombination aus verschiedenen Therapiemaßnahmen zu finden, auf die die Patient*innen am besten ansprechen.

Mechanismen der Ganzkörperkältewirkung (-110) bei Autoimmunerkrankungen

Die Anwendung der Kältetherapie auf den gesamten Körper ist einfach: Die Patient*innen betreten zuerst einen kühlen Vorraum, in dem sich der Körper auf die frostigen Temperaturen von -110℃ vorbereiten kann, die im Hauptraum herrschen. Zum Schutz empfindlicher Körperstellen werden entsprechende Maßnahmen getroffen (z.B. das Tragen von Schuhen und Handschuhen sowie das Bedecken von Ohren und Brustwarzen). Ein Aufenthalt in der sogenannten Kältekammer dauert maximal drei Minuten, sodass die oberen Gewebsschichten der Haut herunter gekühlt werden, die Körperkerntemperatur jedoch konstant bleibt. Bei rheumatoider Arthritis wird die stationäre Behandlung mit zwei bis drei Prozessen täglich über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen und einer ärztlichen Begutachtung alle zwei bis drei Tage empfohlen.² Gemessen an Untersuchungen, bei denen sich bei den Patient*innen positive Effekte einstellten, hatten diese im Durchschnitt 10-15 Kälteexpositionen hinter sich. Immungesteuerte Entzündungsprozesse, die der Körper eigentlich dazu nutzt, um schädliche Faktoren zu eliminieren und den Organismus zu schützen, greifen bei der rheumatoiden Arthritis auch körpereigenes Gewebe in den Gelenken an. So entstehen die chronischen Entzündungen an den betroffenen Stellen, unter denen die erkrankten Personen leiden. Bei einer Kälteeinwirkung von -110℃ kann es zu einem Absinken der entzündungsfördernden Immunzellen und zu einem Anstieg der entzündungshemmenden Immunzellen kommen.³ Treten diese Mechanismen in Kraft, äußert sich dies in der Verbesserung des Allgemeinbefindens, der Schmerzreduktion, dem Rückgang weiterer Entzündungszeichen wie Schwellungen und Erwärmungen sowie in der Verbesserung der Mobilität und der Gelenkfunktion.⁴ Dies kann sich wiederum positiv auf den Ablauf physiotherapeutischer Übungen auswirken, die bei rheumatoider Arthritis unverzichtbar sind. Wie bei allen anderen Behandlungsformen sind die Effekte von Kältetherapie eine Frage der persönlichen Disposition; gerade in Hinblick auf die Behandlung rheumatoider Arthritis, die immer ein komplexer und individueller Prozess ist. Entscheidend sind letztendlich die individuelle Wahrnehmung und vor allem die ärztliche Begutachtung.

Quellen:

 Papenfuß, Prof. Dr. sc. med. Winfried: Die Kraft der Kälte. Ganzkörperkältetherapie bei -110. Eine physikalische Kurzzeittherapie mit Langzeitwirkung. Regensburg, 2005.


[1] Prof. Dr. sc. med. Winfried Papenfuß: Die Kraft der Kälte. Eine physikalische Kurzzeittherapie mit Langzeitwirkung. S.66.

[2] Prof. Dr. sc. med. Winfried Papenfuß: Die Kraft der Kälte. Eine physikalische Kurzzeittherapie mit Langzeitwirkung. S. 67.

[3] Ebd. S. 66.

[4] Ebd. S. 67.

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